Weisheitsgeschichte: Der weise Fischer

In einem kleinen Dorf an der Küste wohnte ein Fischer. Jeden Morgen fuhr er in aller Frühe mit seinem alten Kahn auf das Meer hinaus, um seine Fischernetze auszuwerfen. Mit seinem Fang, den er mittags auf dem Markt verkaufte, konnte er seine Familie gut ernähren. Am Nachmittag kehrte er heim, und zu Abend gab es frischen Fisch, den seine geliebte Frau köstlich zubereitete.

Eines Tages, der Fischer hatte bereits alle seine Fische verkauft, kam ein junger Kaufmann an seinem Marktstand vorbei. Er sah dem Fischer eine Weile zu, wir er seine Siebensachen zusammenschnürte, um den Heimweg anzutreten.

„He, Fischer, ich sehe, du hast bereits alle deine Fische verkauft. Es muss ein guter Tag für dich gewesen sein!“

Der Fischer nickte: „So ist es, und nun fahre ich heim zu meiner Frau. Sie wird sich freuen, dass ich heute schon früher zu Hause bin als sonst.“

„Aber Fischer, warum fährst du nicht noch ein zweites Mal, jetzt am Nachmittag, auf’s Meer hinaus? Du könntest jeden Tag die doppelte Menge fischen!“

Diesmal schüttelte der Fischer den Kopf: „Ach, lieber nicht. Dann könnte ich ja den Nachmittag und den Abend gar nicht mehr genießen. Ich hätte keine Zeit, um mit meinen geliebten Kindern und meiner geliebten Frau auf der Terrasse zu sitzen, bei einem guten Glas Wein und einem leckeren Mahl. Ich hätte keine Zeit, mir eine Pfeife anzuzünden und in aller Ruhe zu beobachten, wie die Sonne im Meer versinkt.“

„Aber wenn du die doppelte Menge fischen würdest, könntest du auch die doppelte Menge verkaufen. Du hättest viel mehr Geld, und könntest dir ein kleines Vermögen ansparen. Dann müsstest du schon bald nicht mehr arbeiten und könntest machen, was du willst!“

„Du meinst, damit ich mit meinen geliebten Kindern und meiner geliebten Frau auf der Terrasse sitzen könnte, bei einem guten Glas Wein und einem leckeren Mahl, mit einer Pfeife und um in aller Ruhe zu beobachten, wie die Sonne im Meer versinkt?“

Da war der junge Mann sprachlos. Der Fischer schmunzelte vergnügt über seinen verdutzten Anblick und warf sich den schweren Rucksack auf den Rücken. Dann drehte sich um und marschierte los, der Heimat entgegen, wo schon seine geliebte Frau und seine geliebten Kinder warteten…

Autor: Frei nacherzählt nach Heinrich Bölls „Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral“

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